"Göteborg rüstet sich für die Ausstellung. Überall in der Stadt kämpfen fleissige Arbeiter mit Spaten und Hämmern. Strassen werden gepflastert und verbreitert, was von der wachsenden Schar der Automobilisten sehr begrüsst wird. Am Östra Hamnkanalen werden die Gaslaternen ausgetauscht und Elektriker ziehen Stromkabel in die Säulen. Die neuen Laternen sehen überhaupt nicht wie solche aus. Im Tageslicht ähneln sie grossen Kugeln, die oben auf den Masten balancieren, man meint, sie könnten jeden Augenblick herunterkullern. Im Kungspark sind diese Wunderwerke bereits installiert, am Abend wirkt es, als schwebten die Lichtkugeln mit ihrem kalten elektrischen Schein zwischen den Baumkronen wie eine luftige Armada aus der Zukunft."
Marie Hermanson
Der Sommer, in dem Einstein Verschwand
Insel Verlag 2020
1923. Göteborg rüstet sich für die Weltausstellung. Eigentlich hätte diese schon vor Jahren stattfinden sollen, doch der erste Weltkrieg kam dazwischen.
So war die Ausstellung für Ellen schon seit ihren frühen Kindertagen ein Phantom, das in den Erzählungen ihres Vaters existierte, ohne fassbar zu sein.
Unterdessen ist sie eine junge Frau. Vor kurzem hat sie ihr Praktikum als Journalistin begonnen und konnte nun ihren Chef überreden, ihr eine Chance zu geben, ihm zu beweisen, dass sie mehr auf dem Kasten hat, als für die Rubrik "Frau und Garten" zu schreiben. Eine Chance hat sie. Sie darf ihm einen Bericht über die Weltausstellung vorlegen. Während den Recherchen gerät sie an einen Streik der Arbeiter und wittert ihre erste ganz grosse Geschichte.
Otto, der Stallbursche, reist mit dem Esel Bella zur Weltausstellung, weil diese als Zugtier für das Kinderparadies gebucht wurde.
Ein Junge vom Lande, der sich nie hätte erträumen können, jemals in die grosse Stadt zu reisen. Und dann noch während der ganzen Zeit der Ausstellung dort zu residieren, Menschen zu treffen, den grossen Tumult zu erleben. Daran erinnert er sich noch als alter Mann. Davon erzählt er noch 2002.
Und dann ist da noch Albert Einstein. In Deutschland ungern gesehen, erhält er immer wieder Morddrohungen. Also versucht er, möglichst oft seinem zu Hause fern zu bleiben und als Referent in der ganzen Welt engagiert zu werden. Als ein befreundeter Physiker tatsächlich einem Mordanschlag zum Opfer fällt, packt er seine Sachen und reist nach Göteborg zur Weltausstellung.
Und dann verschwindet er...
Ein unterhaltsamer Roman über eine Zeit, in die man gerne eintaucht. Eine Zeit, in der die modernen Möglichkeiten auf dem Vormarsch waren und doch noch mit sehr viel Widerstand zu kämpfen hatten. Eine Zeit, in der sowas wie eine Relativitätstheorie äusserst ungern gesehen war.
Erzählt aus drei Perspektiven, die die Weltausstellung in ihren unterschiedlichen Wahrnehmungen zu einem grossen Ganzen abrunden.